14.-18.01.2024, Sylkes Tagebuch, Bremen - München - Abu Dhabi - Melbourne - Hobart
14.01.2024: Die Spannung steigt, es geht los. Ein Traum wird nach über 36 Jahren war. Seit wir zum Jahreswechsel 1987/1988 einen in Jugoslawien (Serbien? Kroatien?) kennengelernten Kanuten über den Jahreswechsel zu Besuch hatten, wollen wir dort hin. Ob und wie wir Michael und seine damalige Freundin Veronica ausmachen können, ist zum Anfang der Reise überhaupt nicht sicher. das Internet gibt über die sehr häufigen Nachnamen kaum etwas her. Aber die damalige Adresse steht noch in einem alten Tagebuch. Und weitere Einladungen nach Tasmanien zu Lyall und Melanie, die wir 2015 über ein Musiktreffen in Rastede beherbergten, sind aktuell noch gültig.
Unvorstellbare sechs Wochen Urlaub liegen vor uns! Das ist für Roland nicht mehr das Ding, der ist ja in Rente. Aber für Sylke? Seit dem Abi hat es das nur 1987 gegeben, eben auf der TID, einer Kanutour auf der Donau. Wer erinnert sich nicht an die Situation als Schüler, wenn die Sommerferien begannen. Ganze 24 Resttage aus 2023 und sehr faire Vorgesetzte machen es möglich.
Roland, der netterweise alles organisiert hat, ist seit Wochen extrem aufgeregt. Sind alle Flüge, Unterkünfte, Autos und Versicherungen komplett, richtig und bezahlt? Wurde nichts vergessen? Stress pur, Schlafstörungen inklusive. Es wird Zeit, dass wir das angehen, so etwas wird ja nicht besser. Da hilft auch kaum ein beruhigendes Wort oder erneute Durchsicht der Vorschläge vom Auswärtigen Amt oder was das Internet noch so hergibt.
Unsere Anreise geht von Bremen über München und Abu Dhabi nach Melbourne. Und dann weiter nach Tasmanien, der tollen Insel noch unterhalb von „Down Under“. Dort wollen wir zunächst zwei Tage bei Lyall und Melanie in Hobart verbringen und dann eine Rundtour über die Ostküste Richtung Norden machen, an der Nordküste bis Burnie fahren, ins Landesinnere Richtung Cradle Mountins abbiegen, uns Strahan und Queenstown ansehen und schließlich nach Hobart zurück. Von da geht es im knapp zwei Wochen weiter nach Auckland (Neuseeland).
14.01.2024: Kirsten bringt uns am Sonntagnachmittag nach Bremen zum Flughafen. Wie schon fast seit Wochen durchgängig regnet es und es wird kaum hell. Kaum vorstellbar, dass wir Sonnenhüte und -creme in zwei Tagen dringend benötigen werden. Sylkes Boardingkarte von Abu Dhabi fehlt immer noch, sonst sollte alles komplett und ok sein. Warum die fehlt, kann die Lufthansa in Bremen nicht klären, weil es sich bei den Flügen München-Abu Dhabi und Abu Dhabi-Melbourne um Flüge von Ethyhat handelt. Der Flug durch das deutsche Schmuddelwetter ist pünktlich und unspektakulär.
In München kann das Problem mit der fehlenden Boardingkarte dank einer asiatisch aussehenden, aber ( im Gegensatz zu manchem Bayern) sehr gut Hochdeutsch sprechenden Flughafenangestellten geklärt werden. Auf ihre Veranlassung kommt auch unser Gepäck auf den letzten Drücker noch mit. Und wir sind die Letzten, die durch die Reihen nach ihrem Sitzen suchen. Etwas peinlich, aber zum Glück noch pünktlich.
Der Flug führt durch die Dunkelheit zwischen Wien, Budapest und Belgrad über das Schwarze Meer und die Nordost-Türkei an der Iranisch-Irakischen Grenze lang (hoch lebe das Flugradar) nach Abu Dhabi, wo wir kurz vor Sonnenaufgang landen. Was für ein Flughafen! Hypermodern, riesig, weiß, sauber. Und mit Victoria‘s Secret (also öffentlich ausgestellte Unnerbüxen). Und Alkohol, zollfrei. Hätten wir nicht erwartet.
15.01.2023: Gegen 9 Uhr Ortszeit geht es wieder ins Flugzeug, jetzt Richtung Melbourne. Die Wüste Saudi Arabiens ist von oben spektakulär. Oft grau, seltener sandfarben oder rötlich. Abwechselnde Reliefs mit steilen Gebirgen oder flachen Ebenen, wie erwartet kaum besiedelt. Fremd und abweisend, trotzdem von einer seltsamen Schönheit. Und dann die unendliche Weite des Indischen Ozeans, nur unterbrochen von den flachen Klecksen der Malediven in der Dunkelheit, denn wir fliegen ja mit der Zeit. Trotz des umfangreichen Filmangebots von Ethyhat und der kleinen Essens- und Essenwegbring-Unterbrechungen zieht sich jetzt die Zeit ganz schön. Auch die Infos über das Flugradar geben nicht mehr her als dass das einfach noch dauert. Und dauert. Und dauert. Dann kommt zwar Land in Sicht, aber da es Nacht ist, kann man kaum etwas sehen. Und Australien ist abgesehen von einer riesigen Insel eben auch ein ganzer Kontinent. Melbourne liegt unten rechts, also ziemlich weit im Südosten. Da muss man eben noch gaaanz weit fliegen, wenn man von Westen dahin will.
17.01.2024: Sonnenaufgang, Melbourne, super Wetter. Roland ist immer noch extrem angespannt. Wir haben beide nur sehr wenig geschlafen. Eigentlich alles gut, aber wir machen uns Sorgen, dass es Schwierigkeiten mit Einreise, Zoll und dem Weiterflug in gut zwei Stunden geben könnte. Wir haben Schokolade, Pralinen und Brot dabei, weil das so gewünscht wurde. Nüsse in einer Schokolade und Körner im und auf dem Brot haben wir wie Medikamente vorsichtshalber deklariert. Alles an Reiseproviant sonst ist aufgegessen (man darf keinerlei frisches Obst oder Gemüse usw. einführen), die Schuhe sind sauber. Sollte passen und geht auch problemlos. Es ist viel entspannter als wir dachten. Sie sind beim Zoll genau, aber nicht unangenehm. Cool.
Weiter geht es in einem kleineren Flugzeug nach Hobart auf Tasmanien. Wieder ein problemloser pünktlicher Flug, auch wenn die Landebahn sonst wohl einen Meter tiefer gelegen haben muss, so wie wir aufsetzten. Wir sind so gespannt! Die Sicht von oben: Eukalyptus-Wald und Grasland wechseln sich mit mittleren und höheren Bergen ab. An den Küsten sehen wir besonders um Hobart herum eine unendliche Vielzahl an Sandstränden. Wir biegen über das Meer von Osten Richtung Zielflughafen ein und sehen im Sinkflug unter uns bewaldete Inselchen, traumhafte Sandstrände und dunkelblaues Wasser im strahlenden Sonnenschein. Der Flughafen in Hobart sieht zunächst nur unwesentlich größer aus als der auf Wangerooge, ist aber innen unerwartet doch nicht so klein. Wir treffen Lyall kurz vor der Gepäckausgabe und brauchen ein wenig, um uns in den Australischen Slang einzugewöhnen. Schön, ihn und später natürlich auch Melanie nach so langer Zeit wiederzusehen.
Nach einem kurzen Einkaufsstopp beziehen wir das ehemalige Gruftizimmer der mittlerweile erwachsenen Tochter von Melanie. Lyall und Melanie haben ein Haus mit eher ungewöhnlicher Architektur und einem fantastischen Ausblick. Gefällt uns sehr gut und hebt sich sehr angenehm von der sonstigen Bebauung der Gegend ab. Eine rund um die nördlich Haushälfte laufende hölzerne Sonnenveranda und die hohen Räume im Mittelteil machen das Gebäude ziemlich perfekt. Ja, die Sonne steht mittags im Norden. Ist ja fast alles umgekehrt.
Nach einer kurzen Kaffeepause werden wir auf den Kunanyi (Mount Wellington) gefahren. Phantastischer Ausblick auf Hobart und die Inseln. Um uns herum bizarre Doloritfelsen und vom Wind abgeschorene niedrige Büsche und Teebaumsträucher. Es ist sehr sonnig und warm, aber es weht ein angenehmer Wind. Nach der Tour auf den Berg sehen wir uns Kingston Beach an (nix Jamaica, trotzdem Sonne und Palmen). Auf Lyalls Idee hin fahren wir ohne Vorankündigung zur alten Adresse von Michael und Veronica. Beide fuhren 1987 mit Seekajaks und Michael, der mittlerweile über 80 sein müsste, war Professor für Astrophysik an der UTAS. Und tatsächlich treffen wir in einem ziemlich einsamen Tal auf ein Haus mit Kakaks unter einem Carport und einem Teleskop im Wohnzimmer. Toll! Michael ist zu Hause und natürlich völlig verdattert, kann sich aber nach kleinen Hinweisen erinnern. Veronica ist mit dem Kayak gerade auf dem Meer, wir tauschen endlich Kontaktdaten (E-Mails und Internet waren damals ja noch komplett unbekannt und Telefongespräche rund um die Welt unbezahlbar). Danach fahren wir nach Hobart und essen Fish and Chips am Hafen. Wir haben das Gefühl, schon jetzt einen ganzen Urlaub erlebt zu haben. Der Jetlag hält sich bei Roland einigermaßen in Grenzen und fällt bei mir (Sylke) dank der nur zwei Stunden Schlaf seit Sonntag einfach aus. Ziemlich pünktlich ins Bett und der Rhythmus sollte am nächsten Tag passen.
18.01.2024: Das Wetter ist heute recht gemischt und unbeständig. Deshalb fahren wir zunächst zum alten Knast von Richmond. Viele Familiengeschichten der Neubesiedler Tasmaniens fingen hier an. Kleinkriminelle und einfach arme Socken, die vielleicht nur etwas Essen oder Kleidungsstücke geklaut hatten, wurden hierher verbannt und quasi auf Tasmanien ausgesetzt. Die Zellen sind winzig, die Strafen müssen grausam und der Gestank erbärmlich gewesen sein. Wie gut wir es doch heute in so freien und gut situierten Ländern haben.
Als nächsten Punkt haben sich unsere Bekannten die Boborong Schutzstation einfallen lassen. Dort werden verletzte oder kranke Tiere aufgepäppelt, ähnlich der Wildtierauffangstationen bei uns. Nur eben mit Teufeln, Wombats und Co. Es gibt viele Empfehlungen, was mit angefahrenen Wildtieren zu tun ist. Man sollte nach solchen Unfällen z. B. immer im Beutel nachsehen. Und natürlich besonders in der Dämmerung vorsichtig fahren, woran man durch unzählige Wallaby-Leichen auf und an den Straßen leider auch erinnert wird. Die Station ist klein, hat aber alles, was man sich von so einer Einrichtung wünscht. Kängurus zu Kuscheln (!), Wombats (war allerdings gerade etwas unpässlich), Tasmanische Teufel, die mit geschlossenen Mündern eher niedlich aussehen, Schnabeligel, Tüpfelbeutler (Hinweis: Hübsche Killer mit Babyface) viele gute Erklärungen. Heute gelernt: Wombats wehren sich vor Raubtieren wie Hunden, indem sie ihnen den ziemlich harten und unempfindlichen Hintern aus ihrem unterirdischen Versteck entgegen strecken. Oder warten, bis die Viecher über sie kriechen und dann an der Decke platt drücken. Und sie bauen aus würfelförmigen Kackpaketen Türmchen, um damit ihr Revier zu kennzeichnen. Schnabeligel watscheln noch mehr als unsere Igel und haben unschöne Hinterfüße. Kängurus lieben es, unter der Kehle gekrault zu werden und sind dann ganz schön verschmust. Eine andere Welt, bizarr, toll.
Wem das Schild wohl gilt?
Das leckere Abendessen in einem Pub, der trotz des Kneipencharakters den Namen „Hotel“ beinhaltet, und ein gutes Glas Pinot Noir schließen dem Tag ab. Auch hier eine unglaublich lockere unangestrengte Atmosphäre. Auf dem Weg „nach Hause“ noch kurz an den Seven Mile Beach (lächerliche fünf Minuten entfernt). Tolles Land, ich glaub ich bleib hier.
18.01.2024: Aufwachen durch den Gesang eines Flötenvogels ist ein echtes Luxusproblem. Zum Frühstück gab’s Pfannkuchen mit frischen Beeren. Kann es einem besser gehen?
Weiter geht‘s. Roland hat heute Linksfahr-Premiere. Klappte mit Lyalls Wagen wohl nach beider Aussagen gut. Wenn die Scheibenwischer die nächsten Tage auch beim Schalten überleben und die Beifahrerin sich nicht an die Leitpfähle auf der linken Seite klammert oder im Graben verschwindet, sollte das mit dem nicht mehr ganz neuen Gefährt für die Rundtour klappen. Einen neuen Koffer gibt es auch, denn Sylkes hat die Fliegerei nicht überstanden. Jetzt sind wir in Triabunna. Abendessen aus dem Takeaway mit Antpasti aus einem Supermarkt, Unterkunft in einer gut ausgestatteten Ferienhütte auf einem Campingplatz. Morgen geht es mit der Fähre nach Maria Island. Da geht es dann darum, auch noch mit Wombats zu knutschen. Kängurus hatten wir ja schon.
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