11.02.2024, Sylkes Tagebuch, Kaikoura macht blau

Wie bereits am Vorabend befürchtet: Das Besondere, das wir heute vorhattenwurde in den frühen Morgenstunden per Mail abgesagt. Mit großer Enttäuschung müssen wir auf das Whale Watching verzichten, denn es hat die ganze Nacht gestürmt. Alle Termine werden im Laufe des Tages abgesagt, die See sei einfach zu rau. Wir sind zwar auf einer Warteliste für den kommenden Tag, aber da stehen noch acht weitere Personen vor uns drauf. Und wir müssen morgen weiter nach Nelson, das ist ja alles schon gebucht und ca. dreieinhalb Stunden entfernt. Einzige Möglichkeit ist es, auf gut Glück um 6:30 oder 7:30 Uhr auf ausfallende Plätze zu hoffen. Eine Benachrichtigung per Mail oder Telefon ist sehr unwahrscheinlich, weil dazu meistens zu viel zu tun sei. Schade.


Es hat über Nacht geschneit

Wir schlafen daher ein wenig länger als sonst, frühstücken in Ruhe und machen uns dann erneut auf den Weg Richtung Kaikoura Peninsula Walk. Die vergangene Nacht hat uns nicht nur Sturm und Regen gebracht, sondern auch die Temperaturen erheblich fallen gelassen. Wir können es kaum glauben, aber die Berge sind plötzlich deutlich mit Schnee überpudert, obwohl es ja Spätsommer ist und die anderen Tage wirklich sehr sommerliche Temperaturen zeigten. Der Anblick der schneebedeckten Berge vor dem hellen Türkis der flachen Bucht ist umwerfend. Überhaupt ändert das Meer hier ständig seine Farbe. Sieht man nach Norden, so strahlt es geradezu in leuchtendem Türkis. In der Nähe des Strandes ist es eher etwas heller, milchig und grünlich, weiter draußen ist es von einer solchen Intensität, wie ich es noch nie gesehen habe. Wendet man den Blick dann auf die offene See, so kommen mehr Blautöne ins Spiel. Aus Türkis wird eher ein helles Petrol und je mehr man Richtung Süden und ins offene Meer schaut, desto stärker erscheint es in einem schönen dunklen Blau. Da auch der Himmel mal hell- und mal leuchtend blau ist, ist zusammen mit den grünem Bewuchs die ganze Farbpalette zwischen den Farben Grün und Blau vorhanden. Himmlisch, im wahrsten Sinne des Wortes.

Unsere Tour beginnt da, wo sie gestern aufgehört hatte, am Historic Chimney, dem alten Schornstein. Außer uns sind natürlich auch noch andere Touristen da, denn die Halbinsel ist einer der Toppunkte, an denen man wilde Tiere sehen kann. Das gilt vor allem für Ohrenrobben, die hier in Form Neuseeländischer Seebären gerne an Land kommen, um in der Sonne zu chillen. Zunächst sehen wir nur mehr oder weniger geschickt auf den Felsen herumkletternde Touris, aber dann liegen da tatsächlich die Faulpelze in großer Anzahl rum und machen blau. Wenn man die Spielregeln beachtet (mindestens 20 m Abstand, sich nicht zwischen Robben und Meer begeben und Absperrungen mit den Do not disturb-Schildern respektieren), ist das hier ein entspanntes Aufeinandertreffen von Mensch und Tier. Selbst Muttertiere mit ihren Jungen und Halbstarke, die miteinander raufen, können wir aus recht geringer Entfernung sehen. Da ich ein Fernglas mitgenommen habe, lässt sich alles gut beobachten, ohne den Tieren unangenehm nahe zu kommen oder sie sogar zu bedrängen. Daran halten sich die meisten, aber durchaus nicht jeder, wie wir sehen. Besonders ein ausgewachsenes schlafendes Tier liegt so nahe neben dem Weg, dass wir uns in ordentlichem Abstand auf die Lauer legen, aber ein junges Pärchen völlig gedankenverloren direkt dran vorbeischlendert, ohne dass eines der Wesen aufeinander aufmerksam wird. Uns dagegen winkt es irgendwann sogar zu:




Faule Socken in der Sonne



Die Robbe liegt schon so nah, da muss man nicht weiter rangehen. Rechts ist zu nah (deutscher Tourist)

Seebärchen. Süßer als Gummibärchen.

Winke-Seebärin aus > 20 m Abstand gefilmt

Der Spaziergang ist wegen des wieder guten Wetters, dem traumhaften Blick und den tollen Tieren ein echtes Highlight und entschädigt uns für die ausgefallene Bootstour. Der Wind pustet uns ordentlich durch und die Schaumkronen auf den Wellen weiter draußen sowie die kräftigen Brecher gegen die bizarren Felsen bestätigen die Entscheidung der abgesagten Bootstouren. Wir wandern weiter bis zur Whalers Bay, einem der südlichsten Punkte. Das  Laufen auf den Kiesbrocken zusammen mit dem scharfen Wind, der einen immer mal wieder ins Schwanken bringt, ist für Roland mit seinem künstlichen Sprunggelenk eine ziemliche Herausforderung. So setzen wir unsere Tour über eine Treppe auf dem oberen Plateau der Halbinsel fort, von der man eine außergewöhnliche Weitsicht auf all das schöne Wilde des Pazifiks hat. 




Whalers Bay, es geht nach oben

Der Wind braust so, dass der Name Stiller Ozean allerdings nicht ganz passt. Die Kühe mit der vermutlich schönsten Aussicht des Planeten kümmert das nicht die Bohne. Für mich ist es hier oben dagegen eine echte Herausforderung, Brille, Fernglas, Handy (für Fotos) und Kopfbedeckung nicht wegwehen und in den Abgrund stürzen zu lassen. Für den Fall, dass der Hut vom Kopf fliegt, habe ich ihn mit dem Fernglas zusammengebunden. Das wiederum führt allerdings zu kleinen Koordinationsproblemen bei starken Böen. Gut, dass es davon keine Fotos gibt. Die Brille putze ich später.


Kühe vor Ku(h)lisse. Irgendjemand hat den Baum schief gedrückt.

.Es weht so sehr, dass man kaum (gerade) Fotos machen kann. Da läuft das Meer eben wieder aus.

 
Wind



Farben!



Rechts: Ob die den eingezäunt haben, weil den sonst einer unter den Arm klemmt?


Nach dem Besuch des kleinen gelben Leuchtturms, den man möglicherweise wegen seiner geringen Größe eingezäunt hat (würde der sonst mitgenommen?) geht es wieder bergab und wir trinken im Ort unseren Nachmittagskaffee. Bevor wir aber in die Unterkunft zurückfahren, machen wir noch einen kleinen Abstecher ins Binnenland. Die Straße schlängelt sich durch ein recht einsames Tal, das von der schon tief stehenden Nachmittagssonne warm beschienen wird. Im Hintergrund sehen wir die zum Teil immer noch leicht verschneiten Berge, davor die steppenartigen kleineren Erhebungen, ab und zu ein mehr oder weniger ausgetrocknetes Flussbett. Es ist  immer noch ein wenig fremd und doch einfach wunderschön. 

Ich vergesse immer wieder, dass ja gerade erst Weihnachten war. Die Bewohner dieser Farm sicher nicht.


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