16.02.2024, Sylkes Tagebuch, Lake Hawea - Cromwell - Gore - The Middle of Nowhere
Heute scheint wieder die Sonne, nur ein paar Wölkchen zeigen sich ab und zu. Der See sieht schon wieder anders aus, die Farbe des Himmels schwankt zwischen intensivem Mittelblau und fast kitschigem Babyblau. Beim Frühstück kann man gut das Treiben um uns herum verfolgen. Ein junger Mann macht sehr gekonnt eine Mischung aus Yoga und Gymnastik mit Blick auf den morgendlichen See im Sonnenaufgang. So verdient der Sonnengruß wirklich seinen Namen. Er und ein paar andere Mutige schwimmen zum Tagesauftakt im See. Vorher wird sich unter einem langen Kaftan umgezogen, denn nackte Haut an speziellen Stellen ist ein absolutes Tabu. Die Badedauer und die Geräusche deuten allerdings darauf hin, dass das Wasser ganz schön frisch ist.
Kein Wunder, dass man so viel Glück mit dem Wetter hat. Bei der Hakenleiste.
Für uns geht es nun in die südöstlichste Ecke der Südinsel, in die Catlins. Zunächst hatten wir, oder besser ich, geplant, noch einen kurzen Zwischenstopp in Queenstown zu machen, aber das scheint sich für uns nicht zu lohnen. Eine ältere Frau hatte uns von ihrer Heimatstadt vorgeschwärmt und der Blick auf die Berge ist sicher super, aber ansonsten ist die Stadt eher DER Hotspot für Actionsport. Hier wurde das Bungeejumping erfunden und noch heute zusammen mit zig Adrenalin-Triggern praktiziert. Ganz Verrückte (und Betuchte) können Kombitickets für Bungeejumping (134 m, wenn schon, denn schon), 20 Min. Shotover Jetboot, Wildwasserrafting Grad 3-5 und einen Hubschrauberflug für schlappe $ 1103,- buchen. Sind ja nur gut 700 €, aber wer’s braucht…. Wir nicht. Und anderen dabei zuzusehen, haben wir keine Lust.
Also fahren wir durch das Heartland, also das Herzland, der Südinsel. Der Regen von gestern ist nicht bis hierher gekommen und die Felder und Wiesen werden gesprengt, damit noch ein wenig Grün für die Tiere erhalten bleibt. Unterwegs stellt eine Frau am Straßenrand ein Schafschild auf. Während wir kurz überlegen, was uns das sagen soll, kommt von vorne eine Invasion der wolligen Tiere auf uns zu und wir können ohnehin nicht weiterfahren. Auch ein Erlebnis, das wir noch nie hatten. Nach wenigen Minuten ist der Spuk vorbei, die Schäferhunde springen bei Opa hinten wieder aufs Gefährt und es kann weitergehen.
Hinter Cromwell führt uns der Weg entlang des Clutha River/ Mata-Au durch grau bewachsene oder kahle Berge Richtung Alexandra. Wir sind in dieser Region weiter von irgendwelchen Küsten entfernt als an jedem anderen Teil Neuseelands. Alexandra ist die trockenste, heißeste und zugleich kälteste Siedlung des Landes. Während sich südlich der großen Bergseen heute Morgen noch die Sprenger unablässig drehten, gedeiht besonders an den Osthängen hier höchstens Heide und selten magere Gräser, die Sommer und Wind längst ausgetrocknet haben. Ein unwirtlicher Anblick, der uns ein ganzes Stück begleitet. Das Feuerbarometer neben der Straße ist wieder im roten Bereich. Selbst am Stausee des großen Kraftwerks bei Clyde ist das kaum anders.
Wir umfahren Alexandra über eine Bergstraße mit weitem Blick auf die Hügel und Berge. Zu dem spärlichen Bewuchs gesellen sich Felsklötze und -klötzchen, die vorherrschende Farbe ist immer noch das stumpfe Grau der vertrockneten Heide und der Felsbrocken, die wie hingekrümelt wirken. Aber wie so oft ändert sich die Landschaft schon nach kurzer Zeit. Das Tal am Clutha River/ Mata-Au ist um Roxburgh sehr grün und voller Wein- und Obstplantagen. Wir sehen übervolle Apfel-, Birnen-und Pflaumenbäume, unzählige Schilder preisen Aprikosen, Pfirsiche, Nektarinen und Pflaumen an. Auch Beerenobst und die letzten Kirschen sind noch zu haben. Ich kaufe die größten zwei Nektarinen, die ich je gesehen habe, und ein paar Renekloden, weil man die bei uns so schlecht bekommt.
Etwas weiter südlich wird das Relief flacher. Wir sind im südlichen Otago angelangt, Landwirtschaft ist das Hauptthema. Leicht überrascht stellen wir fest, dass der im Reiseführer als eher unspektakulär beschriebene Ort Gore recht ansehnlich ist. Es ist viel los, die Blumenrabatten sind aufwändig und gut gepflegt, es gibt auffallend viele Geschäfte. Wir versorgen uns mit Lebensmitteln und kommen gut zehn Minuten später an einer Farm mit Fremdenzimmer an, die in den nächsten drei Tagen unsere Unterkunft sein wird. Der Hof liegt sehr weit im Nichts, quasi in The Middle of Nowhere, hat aber mit Alison und Grant sehr nette Vermieter und ein gutes W-LAN. Das Zimmer mit angrenzendem eigenen Bad ist gemütlich und wir können die komplette Küche und alle Sitzgelegenheiten im sehr gepflegten Garten nutzen. Wie wir im Laufe des Abends erfahren, sind unsere Vermieter übers Wochenende selbst verreist und wir haben das ganze Anwesen für uns alleine. So großzügig sollte das mal in Deutschland zugehen. Gleich geht es noch kurz zum Sterne gucken raus. Das muss man ausnutzen, wenn da kein Fremdlicht ist.
Guten Appetit



















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