17.02.2024, Sylkes Tagebuch, Catlins, die Mitte vom Nirgendwo und ihr faszinierender Rand
Heute und morgen wollen wir den südöstlichsten Teil der Südinsel besuchen und haben uns viel vorgenommen. Wir fahren zunächst Richtung Osten nach Balclutha. Dort wurde unlängst ein Touristeninformationszentrum (kombiniert mit einem Gedenkort an den oder die Krieg(e) und mit einem allgemeinen Veranstaltungsort) der so neu ist, dass das ganze Gebäude nach Baustelle und Baumarkt riecht. Aufwändig und gut gemach. Ich glaube, die haben viel vor. Momentan ist hier noch wenig los und so werden wir freundlich unaufgefordert beraten. Ausgestattet mit Karten, Broschüren und Tipps machen wir uns nach Kaka Point auf, einem hübschen Örtchen an der Ostküste. In Kaka Point vergnügen sich zahlreiche Wasser- und Sonnensüchtige am Strand. Es ist Wochenende, warm und meist sonnig. Ich spar mir mal die wiederholte Schwärmerei vom Strand.
Kurz danach erreichen wir Nugget Point. Ganz außen auf einer Klippe steht ein kleiner weißer Leuchtturm. Der Weg dorthin schlängelt sich durch schief gedrücktes Gebüsch. Die Position und der Pfad erinnern sehr an die kleine Kirche im ABBA-Film Mama Mia. Der ständige Wind hat die Zweige der Büsche fest miteinander verwoben, sodass man an manchen Stellen fast durch einen geflochtenen Tunnel geht. Beim Blick entlang des steilen Abgangs fällt uns ganz unten eine Seelöwin mit ihrem Jungen und einem weiteren Halbwüchsigen auf, die auf den warmen Felsen und in einem abgetrennten Pool chillen. Cool. Wir gehen rauf zum Leuchtturm und schauen uns die tosende Brandung an den vorgelagerten Felsen an. Ein fantastischer Blick auf den ansonsten recht ruhigen Pazifik.
Der Weg entlang der Southern Scenic Route ist abwechslungsreich und kurvig, Ich möchte am liebsten alle drei Meter anhalten, aber das tun wir erst in Owaka, um einen Kaffee zu trinken. Nebenan ist ein kurioser Souvenirshop, der auch alten Krams der nettesten Sorte beherbergt und laut Schild der beste Souvenirshop Neuseelands ist. Nachdem wir ihn besucht haben, entscheiden wir uns für einen Kaffee in einem kleinen Café mit der in Neuseeland üblichen Frage nach der Größe, die hier mal wieder sehr pragmatisch gelöst wird.
Als Kontrastprogramm sind als nächstes Wasserfälle weiter westlich in einem wahren Zauberwald dran, die Purakaunui Falls. Vom Parkplatz ist es nur ein kurzer Spaziergang durch tropisch anmutenden Regenwald. Es ist dunkel, geheimnisvoll und riecht gut. Vögel hört man kaum, die Farne auf dem Boden, den Baumstämmen und besonders die Baumfarne selbst sind sehr groß und lassen wieder dieses Jurassic Park-Gefühl aufkommen. Aber den T-Rex gibt es ja nicht mehr, wenn er je dort gelebt hat.
Wieder am Parkplatz fällt Roland ein Backpacker auf, den wir zuvor an anderer Stelle bereits gesehen hatten. Gordon ist Schotte, Ende Vierzig und bis auf eine kurze Auszeit während des Corona-Lockdowns quasi in der Welt zu Hause. Er arbeitet zwischendurch als Englischlehrer oder Freiwilliger in oder an verschiedenen Projekten zwischen Osttimor und Guatemala und hat überall Freunde oder Familie. Ein netter, interessanter Gesprächspartner für die nächsten Kilometer, denn wir nehmen ihn einfach mit. Unser weiteres Ziel sollten die Cathedral Caves sein, aber da hat leider die Info im Tourizentrum nicht gestimmt. Es ist 17:04 Uhr, man lässt uns nicht mehr rein. Roland gibt alles, aber keine Chance.
So fahren wir ein wenig (aber nicht sehr) enttäuscht zur Curio Bay, in der Hoffnung dort Gelbaugenpinguine zu sehen. Wir hatten im Internet gelesen, dass die größte Wahrscheinlichkeit abends bestünde. Fehlanzeige bei den Pinguinen, aber wir sehen Delfine und einen Tüpfelkormoran. Und Gordon hat wenige Tage alte Fotos eines Pinguins, das muss für heute reichen. Das Licht an der Küste mit einem wilden Wolkenspiel ist fast magisch und wir entscheiden uns, Gordon noch ganz bis Invercargill zu bringen, wo jemand ihn für den nächsten Workaway-Job auflesen wird. Die Männer tauschen Kontaktdaten aus. Wer weiß, ob man sich irgendwann irgendwo noch einmal begegnet oder einen Rat braucht.
Zu unserer Verblüffung klingelt plötzlich das „neuseeländische“ Telefon. Unsere übers Wochenende verreiste Vermieterin berichtet von drei von ihr(!) gefangenen Fischen und fragt, ob wir einen spontan eintreffenden weiteren Gast entgegennehmen können, falls das zeitlich bei ihrem Sohn zu eng wird. Auch das scheint zu diesem Land zu gehören. Man sucht praktische, schnelle Lösungen, macht nicht viel Gedöns. Die Großzügigkeit, die Entspanntheit und das Improvisiertalent lassen Probleme oder Stress so viel weniger aufkommen.
Als wir auf der Ranch ankommen, ist dann Marc, der Sohn von Alison und Grant, schon vor Ort und nimmt den neuen Gast in Empfang. Francine ist in Neuseeland geboren, überwiegend in Frankreich aufgewachsen und lebt in Sydney. Väterlicherseits kann sie ihre Herkunft auf einen der ersten britischen Siedler und seine Maori-Frau zurückführen. Ihre Mutter ist Französin, die Familie hat in Frankreich, Neuseeland, Australien, Indien und wer weiß wo sonst noch gewohnt. Sie ist derzeit dabei, die Orte ihrer Vorfahren und ihrer Kindheit zu besuchen. Umso interessanter für mich, deren Vorfahren bis auf einen Opa aus dem Rheinland in einem Umkreis von höchstens 20 km geboren wurden. Und die Eltern und Geschwister in maximal 10 km. Hat alles seine Vor- und Nachteile. Was uns alle drei verbindet, ist aber das große Interesse an anderen Ländern und Kulturen, der Spaß am Reisen. Das passt gut zusammen und so unterhalten wir uns (bis auf Marc, der muss sicher früh raus am nächsten Tag) sehr angeregt bis spät in die Nacht. Ein interessanter Tag mit viel Austausch mit anderen Reisenden geht zu Ende.





















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