18.02.2024, Sylkes Tagebuch, Catlins, die Mitte vom Nirgendwo und die Kunst, Leute mit Nonsens zu beglücken
Gestern war es ja wirklich spät, aber wir sind ja noch nicht durch mit den Highlights Catlins. Gegen neun Uhr frühstücken wir zusammen mit Francine, tauschen Kontaktdaten aus (wie gesagt, man weiß ja nie) und wollen fast da starten, wo wir gestern aufgehört haben. Zuvor führt uns der Weg über Schotterwege durch weites Farmland und dann durch Eukalyptus-und Kiefernforst, wir sehen Neuseeland von hinten. Die Aufforstungen sind riesig. Dunkle Monokulturen mit unglaublich hohen See-Kiefern und in Reihen gesetzte, dicht stehende Eukalyptusbäume unterschiedlichen Alters wechseln sich mit aufgerissenen, zerwühlten Bereichen ab. Viel zu einheitlich, öde, zerstört. Ein riesiger Gegensatz zur schier unglaublichen Vielfalt des natürlichen Waldes. Wirtschaftlich kurzfristig sicher sehr ertragreich, aber dann?
Der nächste Stopp wurde von uns mehrfach zurecht empfohlen und ist wirklich etwas ganz Besonderes. Diesmal geht es nicht um Landschaft oder Natur, sondern um Müll, Kitsch und Kleinstkunstwerke eines unglaublich kreativen Spinners. Der Ort nennt sich The Lost Gypsy Gallery und zeigt, wie man (und laut Homepage auch frau) die Welt mit viel Ironie, außerordentlicher technischer Raffinesse und köstlichem Blödsinn beglücken kann. Zunächst sieht man einen großen grünen alten Bus, vollgestopft mit Krimskrams. Um einen herum kurvt eine Modellbahn, überall bewegt sich etwas, in jeder Ecke tickt oder gluckert es. Es sind alleine in dem Gefährt so unfassbar viele Kleinigkeiten, dass man Stunden darin verbringen könnte. Gegen einen geringen Obolus kann man aber auch den hinteren Teil des Grundstückes besuchen. Es kostet zwar etwas Zeit, auf alle Knöpfe und Tasten zu drücken und an allen Kurbeln zu drehen, aber es lohnt sich. Kleine Welten tun sich auf. Winzige Möwen fliegen mit und ohne seitlichen Wind durch zarte Bewegungen ausgelöst dem Betrachter entgegen, kunstvolle Strudel entstehen nach dem Füllen eines Glases oder durch weitere Zentrifugalkraft angetrieben, Wasserräder aus Meeres-Schnecken geben gluckernde harmonische Laute von sich, Spannungsbögen werden durch kleinste Kurbeln erzeugt und verursachen Lichtblitze an den Fingerspitzen von Miniaturhandschuhen. Vor der Tür steht das vermeintliche Skelett eines Moas mit einem Rugbyball als Ei im Untergeschoss. Alles mit einem Augenzwinkern, fantastisch, genial. Ein Tag in diesem Panoptikum würde vier Jahre Physikunterricht unterstützen und dazu führen, das fast alles an Optik, Akustik, Hebelwirkung und Kinetik in den Köpfen hängen bleiben würde. Welch eine Gabe, mit viel Geschick und wenig Materialeinsatzes Menschen so erfreuen zu können. Wie es wohl wäre, wenn man diesen Künstler mit dem Oldenburger Laboratorium zusammenbringen würde? Das wäre extrem spannend, denn ich sehe da einige Parallelen. Francine, von der wir uns vor gut zwei Stunden verabschiedet hatten, läuft uns hier erneut über den Weg. Die Interessen passen wirklich gut zusammen, denke ich, während ich sie im Bus begeistert lachen höre. Aber unser Tag, der jetzt schon so viel geboten hat, ist noch lange nicht zu Ende.
Die Cathedral Caves sind uns heute wohlgesinnt und so machen wir uns vor dem großen Andrang auf den Weg. Wieder geht es zunächst durch dichten Küstenregenwald an einen Strand. Am Parkplatz wurden wir darauf hingewiesen, dass am Strand aus Sicherheitsgründen jemand auf uns wartet und die Tickets wieder einsammelt ($ 10/Person). Die eigentlichen Cathedral Caves sind riesige natürliche Höhlen, die von Wind und Meer ausgespült wurden und in die die Brandung mit voller Wucht je nach Gezeitenstand und Wetterlage eindringen kann. Deshalb befindet sich am Strand (hatte ich schon erwähnt, wie toll die Strände hier sind?) ein Aufpasser, der mit Zeichnungen im Sand und einer Engelsgeduld den Touristen erklärt, wo man besser nicht zum Fotografieren stehen bleibt. Die Unterströmung hat schon so manchem die Füße weggezogen, zu völlig durchnässten Klamotten geführt und leider auch den ein oder anderen Aufprall gegen die Felsen verursacht. Besser, man hört auf den Mann. In der beeindruckend großen Höhle sehen wir dann tatsächlich sogar den ersten Pinguin. Das arme Tier steht dummerweise ausgerechnet im tiefsten Teil zwischen dem Ein-und Ausgang. Da, wo immer Menschen im Weg stehen, wenn man wieder raus will. Ich fürchte, der kleine Kerl muss noch ein paar Stunden warten, bis der Zugang zum Parkplatz wieder gesperrt ist und die letzten Störenfriede das Feld geräumt haben. Wir lassen es uns am Strand noch ein wenig gutgehen, plaudern etwas mit einem deutsch-neuseeländischen Ehepaar mit Wohnsitz in Bad Mergentheim und machen uns auf zu unserem letzten Ziel für heute.
Die McLean Falls ähneln den Wasserfällen von gestern, sind aber viel höher und mächtiger. Wieder geht es zuvor durch einen diesmal außerordentlich dunklen Regenwald mit seiner besonderen Atmosphäre.
Bei so viel Eindrücken der letzten Tage ist man gelinde gesagt ein wenig überfordert. Die kurze Nacht nach den langen intensiven Gesprächen auf Englisch mit Gordon, Francine und Marc machen das auch nicht besser. Wir fahren also etwas müde durch die leuchtend grünen Wiesen im schrägen Abendlicht. Es ist wie so oft wunderschön. Der immer heftigerer Wind bringt den Flachs am Wegesrand durcheinander, zerzaust die Cabbage Trees und lässt das Pampasgras aussehen wie Wimpelketten im Sturm. Unser Abendessen nehmen wir in Gore zu uns. Es ist immer noch warm draußen, aber der spektakuläre Abendhimmel scheint uns vor dem Wetter am nächsten Tag zu warnen. Und so pfeift schon nachts bereits ein heulender Wind um die Farm. Mal gucken, was morgen wird, da geht es nach Dunedin.
Grün in Abendsonne
































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